Interview: Zwischen Mensch & Maschine – Prof. Meyer über Psychologie, Robotik und das echte Leben in Chemnitz

Prof. Bertolt Meyer ist Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der TU Chemnitz. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Schnittstelle von Mensch und Maschine – etwa in der Robotik oder der Gestaltung von KI-Systemen. Im Interview erzählt er, warum Technik nur dann funktioniert, wenn sie zum Menschen passt, wie er von der Informatik zur Psychologie fand – und was die TU Chemnitz für ihn zur echten Superheldin macht.

Sein Rat an Studienanfänger:innen? Keine Scheu vor Technik – und offen bleiben für neue Perspektiven.

Herr Prof. Meyer, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Was hat Sie dazu gebracht, sich mit der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zu beschäftigen?

Meine ersten Forschungsarbeiten zu dem Thema habe ich schon im Rahmen meiner Diplomarbeit gemacht. Ich war damals Werkstudent bei einer großen Firma und sollte untersuchen, warum die Mitarbeitenden ein neues Computersystem, das für viel Geld entwickelt worden war, nicht nutzen wollten. Die Erkenntnis: Es lag nicht an der Technik selbst, sondern an psychologischen Faktoren. Die Leute fanden das System zu kompliziert, es passte nicht zur Unternehmenskultur – und es löste ein Problem, das sie in ihrer Arbeitsrealität gar nicht hatten. In dem Moment wurde mir klar: Der Erfolg von Technik hängt ganz wesentlich davon ab, wie gut sie zum Menschen passt – zu seinen Bedürfnissen, Gewohnheiten, Werten. Seitdem lässt mich diese Schnittstelle zwischen Psychologie und Technologie nicht mehr los.

Haben Sie schon als Kind mit Robotern gespielt, oder was war der Auslöser?

(Lacht) Nicht direkt mit Robotern, aber ich war schon als Teenager ziemlich technikaffin – ein klassischer Computer-Nerd. Ich habe gern programmiert, gebastelt, ausprobiert. Gleichzeitig wollte ich aber auch immer wissen, warum Menschen so sind, wie sie sind. Ursprünglich habe ich Informatik studiert, war aber wissenschaftlich deutlich stärker an den psychologischen Fragen interessiert. Also bin ich nach ein paar Semestern zur Psychologie gewechselt – eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Und heute kann ich beides verbinden: technisches Verständnis und psychologische Forschung.

Wie sieht denn die Zukunft der Arbeit aus, wenn wir es mal ganz plakativ sagen? Was sind die spannendsten Trends?

Plakativ gesagt: Die Zukunft der Arbeit wird digitaler, vernetzter – und menschlicher. Künstliche Intelligenz, Robotik und Automatisierung übernehmen zunehmend Routinetätigkeiten. Aber das bedeutet nicht, dass der Mensch überflüssig wird – im Gegenteil. Kreativität, Zusammenarbeit, Empathie und ethisches Urteilsvermögen werden wichtiger denn je. Spannend finde ich zum Beispiel den Trend zu Human Augmentation, also Technologien, die unsere körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten erweitern. Aber auch psychologische Themen wie Sinn, Motivation und mentale Gesundheit am Arbeitsplatz rücken mehr in den Fokus. Die Arbeitswelt der Zukunft braucht nicht nur Technik, sondern Menschen, die sie klug und verantwortungsvoll gestalten.

Wenn die TU Chemnitz eine Superheldenkraft hätte, welche wäre das und warum?

Ich glaube, ihre Superkraft wäre die Fähigkeit, Verbindungen zu schaffen – zwischen Menschen und Technik, zwischen Disziplinen, zwischen Forschung und Gesellschaft. Das spiegelt sich auch in einer unserer Forschungsprofillinien wider, die passenderweise „Mensch und Technik“ heißt. Sie bringt natur-, ingenieur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven zusammen und passt damit perfekt in eine Zeit, in der Technologieentwicklung und gesellschaftliche Verantwortung untrennbar miteinander verbunden sind. Und wenn ich noch eine zweite Superkraft nennen darf: Unsichtbarkeit – im positiven Sinn. Denn die TU Chemnitz ist oft unterschätzt. Wer hier studiert oder forscht, merkt schnell, wie viel hier möglich ist – gerade weil die Wege kurz, die Strukturen durchlässig und die Menschen engagiert sind. Diese Stärken sichtbarer zu machen, daran arbeiten wir jeden Tag.

Ein neues Studium zu beginnen, ist immer aufregend. Haben Sie vielleicht ein paar „Insider-Tipps“ für Studienanfänger an der TU Chemnitz?

Für echte Insider-Tipps bin ich wahrscheinlich schon zu alt – aber ein paar Empfehlungen habe ich trotzdem: Die Clubkultur in Chemnitz ist wirklich spannend. Meine Empfehlungen: Das Transit, das Atomino und das Weltecho. Für Getränke lohnt sich neben dem Balboa Donnerstags ein Abstecher aufs Oberdeck – Drinks mit Aussicht inklusive. Und in der Freiluft-Bar in der Spinnerei direkt hinter dem Institut für Psychologie gibt es im Sommer sogar einen Pool. Kulinarisch führt für mich kein Weg an der „Neuen Chinas Welt“ in der Straße der Nationen vorbei – eines der besten chinesischen Restaurants, die ich kenne. Authentischer geht’s kaum. Und alle in Chemnitz sind sich einig: Die Bäckerei Hahn ist die beste Bäckerei der Stadt. 

Was das Studieren an der TU Chemnitz angeht, kann ich die neue Universitätsbibliothek in der ehemaligen Aktienspinnerei im Zentrum sehr empfehlen. Dort gibt es großartige Lernräume – und im Erdgeschoss rechts einen riesigen Aufenthaltsbereich, in dem man essen, quatschen und Lerngruppen bilden kann. Ein echter Treffpunkt. Und nicht zuletzt: Das neue Sport- und Fitnesszentrum hinter der Mensa an der Reichenhainer Straße ist top ausgestattet – wer einen Ausgleich zum Studieren sucht, ist dort gut aufgehoben. Und: Chemnitz ist günstig. Hier kann man vom BAföG tatsächlich noch Miete zahlen und leben – das ist heutzutage ein echter Standortvorteil.

Gibt es eigentlich einen „Mythos“ über die Stadt Chemnitz oder das Studium an der TU Chemnitz? Dann hätten Sie jetzt die Gelegenheit, darüber aufzuklären.

Der größte Mythos ist wohl, dass in Chemnitz „nichts los“ sei. Wer hinschaut, entdeckt eine Stadt im Wandel, mit spannenden Menschen, viel Freiraum und einer wachsenden Gründerszene. Und: Man kann hier wirklich konzentriert studieren, weil man nicht ständig abgelenkt wird. Für viele ist das ein echter Vorteil.

Vielen Dank für Ihre Zeit!